
Michael König, stellvertr. Vorsitzender der Stiftung, Prof. Dr. Niko Paech und Stiftungsvorsitzender Hans-Joachim Ritter
Im Rahmen einer Tagung am 23./24. September 2016 in der Frankenakademie Schney / Lichtenfels beschäftigte sich die Stiftung für Ökologie und Demokratie e.V. mit den Anfängen und Erfolgen der ökologischen Bewegung in Deutschland und vor welchen Zukunftsaufgaben sie steht.
Tagungsleiter und Stiftungsvorsitzender Hans-Joachim Ritter konnte dazu als ersten Referenten Dr. Jürgen Wüst, Autor des im Jahre 1993 erscheinen Buches „Konservatismus und Ökologiebewegung“, willkommen heißen. „Ende der 70er Jahre war die Zeit reif für grüne und ökologische Parteien“, betonte der Referent. Richard Engelhardt habe in seinem Buch „The Silent Revolution“ die damals eingeleiteten gesellschaftlichen Veränderungsprozesse als stille Revolution bezeichnet. Die Ökobewegung sei vor allem geprägt gewesen durch Hinwendung zu postmaterialistischen Werten. Dazu gehörten auch emanzipatorische Forderungen, ausgelöst durch die 68er Bewegung, die vor allem bei den Grünen ihre Heimat fand. Die ÖDP hingegen habe aus dieser Entwicklung kein Potential schöpfen können, was für den Referent ein Grund dafür war, weshalb die Entwicklung der ÖDP stagnierte, während sich die Grünen zu einer erfolgreichen Partei entwickelt habe. Auch das Thema „Bevölkerungswachstum“ sei ein bestimmendes Thema gewesen, für das Paul und Anne Ehrlich mit ihren Büchern „Bevölkerungswachstum – Umweltkrise – Ökologie des Menschen“ oder „Bevölkerungsbombe“ (1971) eine wichtige Vorarbeit geleistet haben, worauf sich auch der erste ÖDP-Bundesvorsitzende Dr. Herbert Gruhl stützte. Immer wieder tauchte vor allem gegenüber der ÖDP der Vorwurf auf, hier würde braunes und rechtes Gedankengut im grünen Mäntelchen präsentiert. Beispielsweise sei Dr. Jürgen Wüst selbst Zeuge gewesen als beim 1. Jahrestag des Reaktorunfalls von Tschernobyl im April 1987 wegen des Vorwurfes des Ökofaschismus ein Info-Stand der ÖDP in Biblis von linken Gruppen zusammengeschlagen wurde. Gestützt auf diese persönliche Erfahrung hielt er den im Jahre 1989 gefaßten Abgrenzungsbeschluß von den Rechtsparteien für erforderlich. In seinem Buch „Konservatismus und Ökologiebewegung“ kommt Wüst im Jahre 1993 zu der Überzeugung, daß der Einfluß rechter Gruppen in der Anfangsjahren der ÖDP allerdings nicht überschätzt werden sollte, da es meist nur Einzelpersonen gewesen seien, die dieses Gedankengut einzubringen versuchten.
Mit seinem Vortrag zum Thema „Die zentrale Persönlichkeit in der Gründungsphase des BUND, der Grünen, GAZ und ÖDP: Dr. Herbert Gruhl“ traf der Stiftungsvorsitzende Hans-Joachim Ritter auf großes Interesse der Tagungsteilnehmer. Ritter berichtete zunächst von persönlichen Begegnungen mit Dr. Gruhl. Seit Ritter als rheinland-pfälzischer Landesvorsitzender im Jahre 1984 auch zu den Bundeshauptausschußsitzungen eingeladen wurde, kam er dem Parteivorsitzenden nahe. „Uns verband ein enges, loyales Vertrauensverhältnis“ bekannte Ritter. Nachdem Dr. Gruhl auf dem Bundesparteitag am 18.2.1989 in Saarbrücken sein Amt als Bundesvorsitzender aus Protest niederlegte, nachdem ein Abgrenzungspapier gegen die Rechtsparteien beschlossen wurde und der Parteitag seinem Abwahlantrag von 2 Vorstandsmitgliedern nicht folgte, die gegen Gruhl ehrverletzende Behauptungen ohne Wahrheitsgehalt verbreiteten und gegen die Dr. Gruhl eine einstweilige Verfügung erwirkt hatte, wurde Hans-Joachim Ritter mit großer Mehrheit damals in Saarbrücken zum ÖDP-Bundesvorsitzenden gewählt. Gruhl unterstützte die Partei noch bei der Europawahl 1989, bei der die ÖDP immerhin 0,7 % der Stimmen und damit Wahlkampfkosten erhielt. Dr. Gruhl verlies nach der Bundestagswahl am 14.12.1990 die ÖDP. Zuvor noch hatte Ritter bei der Staatskanzlei in Niedersachsen einen Antrag für das Bundesverdienstkreuz gestellt, das ihm am 7.10.1991 von der damaligen Umweltministerin von Niedersachsen, Monika Griefahn, überreicht wurde.
Ritter beschrieb ausführlich Gruhls Werdegang, seine politische Karriere bei CDU, GAZ, den Grünen und der ÖDP sowie als Gründungsvorsitzender des BUND (1975 – 1977) und als Buchautor („Ein Planet wird geplündert. Die Schreckensbilanz unserer Politik“, 1975, „Das irdische Gleichgewicht“, 1982, „Himmelfahrt ins Nichts“, 1992, und andere). Für Ritter war Dr. Gruhl ein bedeutender Umweltpolitiker und Philosoph, Vordenker, Querdenker und Bestseller-Autor. Wer sich mit politischer Umweltgeschichte befasse, komme an dieser Persönlichkeit nicht vorbei, der in vielen Punkten hinsichtlich der Gefährdung unseres Planeten recht behalten habe. Er habe als Buchautor und Redner wesentlich zur Entstehung der Umweltbewegung in Deutschland beigetragen. Deshalb empfahl er der ÖDP, sich zu ihrem prominenten Gründer und ersten Bundesvorsitzenden zu bekennen, auch wenn er Ende 1990 die Partei verlassen und am Ende seines Lebens eine völlig resignierte Haltung eingenommen habe. Diese habe in seinem letzten Buch „Himmelfahrt ins Nichts“ ihren Niederschlug gefunden. Er attestierte der Menschheit darin angesichts des ungebremsten weltweiten Bevölkerungswachstums, unablässigen Ressourcenverbrauchs und der Globalisierung aller Lebensbereiche das unabwendbare Ende.
Prof. Dr. Niko Paech, Inhaber des Lehrstuhls für Produktion und Umwelt an der Carl-von-Ossietzky-Universität Oldenburg und Buchautor („Befreiung vom Überfluß“), sprach über das Thema „Weniger ist mehr – Befreiung vom Überfluß“, ein Motto, das vor allem Dr. Herbert Gruhl vertrat. Prof. Dr. Paech vertrat die Auffassung, daß die Wachstumsfrage neu gestellt werden müsse und forderte Experimentierfelder für regionales und nachhaltiges Wirtschaften. Die Nachhaltigkeitsforschung unterscheide zwischen grünem Wachstum und wachstumskritischen Ansätzen. Das grüne Wachstum werde in Öko-Effizienz und erneuerbare Kreislaufwirtschaft aufgeteilt. Prof. Dr. Paech plädierte für eine Postwachstumsgesellschaft und forderte dafür einen kulturellen Wandel, bei dem der Einzelne nur noch eine 20-stündige bezahlte Arbeitswoche haben werde, dafür mehr Freizeit für sinnvolle, gemeinwohlorientierte Tätigkeiten. Seiner Ansicht sei die Energiewende gescheitert, da vielfach Eingriffe in Natur und Landschaft für Windkraftanlagen und Bioenergie gerechtfertigt werden mit der Energiewende, durch die jedoch bisher keine spürbare Reduzierung der CO2-Bilanz in Deutschland festgestellbar sei. Auch das Thema „Verkehr“ sei bisher ausgeklammert worden. Über Prof. Paechs Thesen ergab es eine lebhafte Diskussion.
Unter dem Thema „Was hat sich durch die ökologische Bewegung in Deutschland verändert und was ist ihr künftiger Auftrag?“ referierten Prof. em. Dr. Joachim Radkau, Historiker an der Universität Bielefeld und vielfacher Buchautor und die ÖDP-Bundesvorsitzende Gabriela Schimmer-Göresz. Prof. Dr. Radkau sieht große Visionen der Öko-Bewegung in den Bereichen Naturschutz und Erneuerbare Energien sowie bei Effizienz und Suffizienz. Von Anfang an habe die Öko-Bewegung einen globalen Ansatz gehabt. Derzeit schreibe er ein Buch über die Zukunftserwartungen der Deutschen seit 1945, das bald im Hansa-Verlag erscheinen werde.
Die ÖDP-Bundesvorsitzende Schimmer-Göresz vertrat den Standpunkt, daß das Klassenziel, die Ökologie zur Leitidee der Gesellschaft, der Ökonomie und der Politik zu machen, aus heutiger Sicht weit verfehlt wurde. Über 40 Jahre sei die Plünderung des Planeten mit Eifer und zunehmender Geschwindigkeit fortgesetzt worden. Ein Ende sei nicht in Sicht. Es fehle an der Einsicht, dass es so etwas wie ein „Genug“ geben müsse.
Auf die Frage: Was muß die ökologische Bewegung leisten? erklärte die ÖDP-Vorsitzende, daß die Verhinderung von Peak Demokratie durch Beendigung postdemokratischer Zustände vorrangig wichtig sei durch Partizipation und Arbeit für eine souveräne Demokratie. Schimmer-Göresz forderte eine Hinwendung zur Partei statt dem Engagement in Initiativen. Die Politik müsse die Wahrheit über den Zustand der Erde ehrlich beschreiben. Dafür sollten die Menschen gewonnen werden, diese Wahrheiten zu akzeptieren und ihr alltägliches Leben entsprechend zu ändern. Die Stabilisierung der ökologischen Systeme als Voraussetzung für gutes Leben und Gemeinwohl sollte kommuniziert werden. Freiwillige Selbstverpflichtungen reichen nicht. Man brauche auch eine öko-soziale Steuerreform, ergänzt durch eine Ordnungspolitik. Es komme darauf an, eine „kritische Masse“ von 15 – 20 Prozent zu organisieren, Bündnispartner und Allianzen. Wenn eine globale, öko-soziale Gemeinwohl-Initiative nicht gelinge, seien Konflikte und Völker-Wanderungen von heute nur ein leises Vorspiel einer dramatischen und bestimmt nicht friedlichen neuen Epoche der Menschheitsgeschichte, erklärte Gabriela Schimmer-Göresz.