Jährlich beruft die Stiftung für Ökologie und Demokratie e.V. eine Frau mit Ausstrahlung und ökologischer Kompetenz als „Ökologia“ – Botschafterin der Ökologie -. Pandemiebedingt blieb die bisherige „Ökologia“, die Präsidentin des Deutschen Naturheilbundes, Nora Laubstein, zwei Jahre in diesem Amt. Sie bedauerte, dass während ihrer Amtszeit immer wieder Tagungen verschoben werden mussten. Gerne erinnert sie sich u.a. an die Verleihung des „Goldenen Baumes“ in Speyer an den ehemaligen Vizepräsidenten des Umweltbundesamtes, Herrn Dr. Thomas Holzmann. Herausragend sei das Stiftungsprojekt „KlimawandelAnpassungsCOACH RLP“ gewesen, durch das 15 rheinland-pfälzische Kommunen im Hinblick auf den Klimawandel gecoacht worden seien. Nora Laubstein, die weiterhin einen kritischen Blick auf die ökologische Entwicklung wünscht, bedauert, dass in der großen Politik weder die Gefahren durch 5-G-Technologie, noch die Nutzung von Palmölbenzin oder der zunehmende Raubbau an Wäldern und Boden-schätzen ausreichend berücksichtigt würden. Besonders bedauerlich sei, dass am Ende ihrer Amtszeit als „Ökologia“ die Atomenergie wieder salonfähig gemacht wurde ohne politischen Bezug auf die Endlagerungs-thematik.
Der Stiftungsvorsitzende Hans-Joachim Ritter dankte Nora Laubstein für ihr Engagement und präsentierte als neue „Ökologia“ 2022 Prof. Dr. Estelle Herlyn. Sie ist Hochschullehrerin und wissenschaftliche Leiterin des Kompetenz-Centrums für nachhaltige Entwicklung an der FOM Hochschule für Oekono-mie und Management in Düsseldorf. Ihre Themenschwerpunkte sind: Verantwortung von Unternehmen für eine nachhaltige Entwicklung; nachho-lende Entwicklung und Klimaschutz in globaler Perspektive. Parallel ist sie freiberuflich für das Forschungsinstitut für anwendungsorientierte Wissens-verarbeitung (FAW/n) tätig. In diesem Kontext bearbeitete sie in den letzten Jahren verschiedene Projekte mit dem Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) und initiierte u.a. die Multiaktions-partnerschaft Allianz für Entwicklung und Klima. Sie ist Mitglied der Dt. Gesellschaft des Club of Rome und stv. Kuratoriumsvorsitzende des Senatsinstituts für gemeinwohlorientierte Politik.Zu ihrer Berufung als „Ökologia“ erklärt Frau Prof. Dr. Herlyn: Ich freue mich sehr, dass ich für das Jahr 2022 zur „Ökologia“ berufen wurde, denn es jährt sich zum 50. Mal die erste UN-Umweltkonferenz, die 1972 in Stockholm stattfand. Es ist bereits 50 Jahre her, dass die damalige indische Ministerpräsidentin Indira Gandhi das unbedingte Recht der Entwicklungsländer auf nachholende wirtschaftliche Entwicklung in die internationale Debatte einbrachte, welches nicht für den Umweltschutz geopfert werden dürfe. Die Konferenz endete ohne Abschlusserklärung, Jahre später entstand 1987 die Brundtland Definition einer nachhaltigen Entwicklung, die auf die gleichzeitige Verwirklichung (nachholender) wirtschaftlicher Entwicklung und Umwelt- und Klimaschutz abzielt. Heute spiegeln sich diese beiden Kernanliegen in den 17 Nachhaltigkeitszielen der Agenda 2030 wider. Erschreckend ist, dass die zentrale Herausforderung einer nachhaltigen Entwicklung, nämlich die Überwindung der Zielkonflikte zwischen Umwelt- und Klimaschutz einerseits und nachholender Entwicklung andererseits bis heute nicht gelungen ist. Dies wird bei keinem Thema so deutlich wie beim Klimaschutz: Ungelöste Gerechtigkeitsfragen verhindern nach wie vor einen wirkungsvollen Schutz des Klimas, der nur in internationaler Zusammenarbeit zwischen Nord und Süd gelingen kann. Wichtige Handlungsfelder sind die Energiesysteme einerseits und sog. natur-basierte Lösungen andererseits. Im Bereich der Land- und Forstwirtschaft ist es möglich, zugleich Entwicklung (Schaffung von Arbeitsplätzen, Überwindung von Hunger etc.) zu fördern und das Klima zu schützen. Letzteres, weil die Natur (Bäume, aber auch Böden) eine natürliche CO-Senke darstellt, die es zu erhalten bzw. wiederherzu-stellen gilt. Leider ist auch nach 50 Jahren kaum bekannt, was tatsächlich hinter dem Begriff ‚nachhaltige Entwicklung‘ steht. Viel zu viele Menschen in Deutsch-land und anderen Industrieländern reduzieren ihn auf ökologische Fragen.
Als Ökologia ist es mir wichtig, in diesem besonderen Jahr 2022 auf die größeren Zusammenhänge hinzuweisen, die seit genau 50 Jahren auf dem Tisch liegen. Wenn wir noch eine Chance haben möchten, die großen Herausforderungen unserer Zeit zu bewältigen, muss ein breites Verständnis in Politik und Gesellschaft darüber entstehen, dass wir uns international engagieren müssen. Die Industrieländer müssen die Entwicklungsländer in ihren Klimaschutzaktivitäten technologisch und finanziell unterstützen. Dies ist keine alleinige politische Aufgabe, sondern braucht außerdem ein starkes Engagement des Privatsektors und damit jedes Einzelnen. Die vom BMZ initiierte Allianz für Entwicklung und Klima (https://allianz-entwicklung-klima.de/) zielt darauf ab, genau dieses nicht-staatliche Engagement zu befördern. Ich bin mir sicher, dass dies ganz im Sinne von Indira Gandhi ist.“